Ausgeführt in Öl und Marmormehl, besitzen Reinholds Arbeiten ein bestimmtes Bewusstsein und eine besondere Sensibilität für die Geschichte des Mediums Malerei. Mit der Hand näht Reinhold Leinwände zusammen, schneidet Formen aus den zuvor verputzten Leinwänden oder arbeitet mit Shaped Canvases.
Alles hier beginnt beim Material. Die Oberflächen – unmittelbar und verführerisch – haben einen ganz bestimmten Effekt. In ihrem matten Glanz begreifen diese Bilder das Erkennbare als Schleier des Geheimnisses. Schicht für Schicht trägt Reinhold auf ihre schablonierten und gefärbten Leinwände auf. Und unter dem, was sich leicht begreifen, leicht auflösen lässt, verbirgt sich stets noch etwas anderes. Die Bilder zeigen, wie man das eine durch das andere liest.
Es ist wie die Erzählerin aus Rachel Cusks` Trilogie, die einfach nur zuhört, wem sie begegnet, deren Monologe aber filtert, bis banale persönliche Erfahrungen tiefgreifend und bedeutsam werden. Stille spricht, indem sie etwas enthüllt. Ähnlich wie Cusk nimmt Reinhold einen neutralen Standpunkt ein, als wolle sie sagen: Du bist es, die oder der urteilt. Auch die Mischung aus Dokumentarischen und Fiktionalen der von Reinhold verehrten Agnes Varda kommt einem in den Sinn. Es gibt bei der Künstlerin eine ähnliche Auseinandersetzung mit dem, was sozial festgelegt wird. Auch wenn die Medien andere sein mögen, so ist bei der Herangehensweise von einer formalen Zurückhaltung geprägt, die die Textur betont und Bedeutung schafft, indem sie Dinge gegenüberstellt.
Was also sind diese Tiefenströmungen, die Geheimnisse, die diese Bilder erst allmählich preisgeben? Da sind Spuren von Reinholds Kindheit im Ostberlin vor dem Mauerfall, etwa in Form umfunktionierter Slogans aus der DDR-Propaganda – Gewöhne dich nicht daran und Das kann das Leben kosten. Da ist eine subtile Bezugnahme auf den späten Kapitalismus und sein Personal, abgedämpft und beizeiten aufgehoben in einer Form von Heiterkeit. Ein Mann scheint die Kontrolle über eine galoppierende Wurst auf Pferdebeinen zu verlieren, die er reitet. Ein Eiermann erscheint skeptisch und überdrüssig zwischen modernistischen Farbfeldern in R U concerned (Eiermann).
Reinholds Formalismus ist präzise und durchdacht. Ihre Arbeiten durchzieht durch die kontrollierte Palette eine gewisse Leichtigkeit. Griechische Mythologie ist hier eher atmosphärisch von Interesse, wegen der Art und Weise wie sie mit dem Moralischen liebäugelt. Die Beschäftigung mit einer Figur wie Zirze ist offensichtlich: Die Tiere, die diese Gemälde bevölkern, wirken wie von dieser Zauberin verwandelte Archetypen. Durch einfache Formen dringt etwas Mythisches. Der Widder in Portrait of the Ram schaut den Betrachter in Mona Lisa-Manier wissend an und gleichzeitig durch ihn hindurch. Diese wissenden Augen und Blicke scheinen in einigen Bildern singulär auf.
Reinholds Methode ist in der Auseinandersetzung mit klassischen Freskotechniken und beim Experimentieren mit Carrara-Marmor entstanden – und postuliert dabei nicht zuletzt die Rückkehr zum Primat der Oberfläche. Denkt an: Höhlenmalereien. Denkt an: Allegorien. Die Lust am Material ist offensichtlich. Je ausgekleideter die Oberflächen, desto mehr kann man von sich einbringen. Und von seiner Sicht der Dinge.
Sophie Reinhold lebt und arbeitet in Berlin.
Contemporary Fine Arts is delighted to announce Das kann das Leben kosten, Sophie Reinhold’s first exhibition with the gallery.
In oil and marble powder on canvas, Reinhold conveys consciousness, maintains awareness. Often working with shaped canvas cut and hand-stitched into distinct sections, her material is primary. The experience of the surface is immediate, seductive, creates an effect. In a muted sheen, Reinhold plays with the recognizable as a shroud for secrets. Painting in layers on stencilled, colored canvas, she shows how the easily resolved lets something lurk underneath. How one thing can be read through another.
It’s like the narrator in Rachel Cusk’s trilogy, whose listening filters the monologues of those she meets as their banal personal experiences dip into the profound. Silence speaks by revealing. Like Cusk, Reinhold’s stance is of apparent neutrality, as if to say, you be the judge. Agnes Varda’s mixing of documentary and fictional elements is also resonant with Reinhold’s approach. Their concern with social contracts strikes a common tone. In distinct mediums, their formal constraint elevates texture, creates meaning by counterposing.
So what are these undercurrents, the secrets conceded to a longer look? There are traces of her upbringing in East Berlin before the wall came down, as she repurposes slogans from GDR propaganda – Gewöhne dich nicht daran (Don’t get used to it) and Das kann das Leben kosten (That could cost you your life.) There is a subtle stance on late capitalism and its cast of characters, tempered by a playfulness. A rider is losing control over a galloping sausage on horse legs in Mann mit Wurst. An eggman appears on a modernist stripe painting looking weary and skeptical in R U concerned (Eiermann). Reinhold’s formalism is deliberately wrought, her controlled colors suffuse the works with lightness.
Reinhold is drawn to Greek mythology for its mood, for the way it flirts with morality. Her interest in Circe is apparent; the animals that populate her paintings stand like archetypes transformed by the sorceress. Something mystic seeps through simple forms, eyes looking at you and knowingly through you at a time in various paintings.
Evolving from classical fresco techniques and experimentation with Carrara marble, Reinhold’s method demands we return to the primacy of the surface. Think cave painting. And allegory. Her material delight is evident, as donning these surfaces allows her to let more of herself and her take on things in.
Sophie Reinhold lives and works in Berlin.