Contemporary Fine Arts freut sich The Spell, Cecily Browns nunmehr fünfte Einzelausstellung seit 2001 in der Galerie, zu präsentieren. Die Ausstellung umfasst jüngste Gemälde und Zeichnungen, die sich um zwei Hauptwerkkomplexe drehen: dem männlichen Akt und dem Stillleben.
Mit den in roten Schlieren verschwindenden Flügeln mögen Browns Stillleben in der Tradition der Alten Meister:innen stehen, die sich dieses Genres bedienten, um uns ständig an den unumgänglichen Tod zu erinnern; so morbide und bedrohlich aber Browns Gemälde inhaltlich erscheinen, es ist nichts Stilles, nichts Totes an den Wirbelstürmen auf ihren Leinwänden. Zu dem titelgebendem The Spell schreibt Daniel Kehlmann in seinem Katalogtext: „Unergründlich ist es und zugleich von vollständiger Klarheit. Triumphierend blickt mich das kleine schlaue Gesicht etwas oberhalb der Mitte an, in dem ich einen Magier zu erkennen glaube und das ich nicht zu lesen vermag. Instinktiv wüsste ich gern, ob es mir wohlgesonnen ist. Aber es behält sein Rätsel. Dann führen die roten Farbenwirbel mich tiefer und tiefer in Gänge, Schluchten, Abgründe, und in mir steigt der Verdacht auf, dass der titelgebende „Spell” nicht etwas ist, das auf dem Bild dargestellt wird, sondern eben den Umstand, dass ich mich davon nicht losreißen kann, umschließt.“
Dementsprechend wirkt der dunkle, dämonische Charakter ihrer Pastelle, die an historische Traditionen und Einflüsse von Bosch bis Bruegel anknüpfen, vergleichbar mit einem „veritablen Hexensabbat (…): schattenhafte Dämonen, gefräßige Vögel, Gefolterte und Zauberwesen, die ganze Wucht jener alten Ängste, die namenlose Erzähler in Märchen gebannt haben, die uns heute noch verwundern, verwirren, erschrecken.“ Einflüsse von sowohl alten wie auch neuen Meister:innen, aber auch Browns ureigene Fähigkeit eben jene zu überwinden, werden sichtbar in der Arbeit Lady and the Swan, die eigens für ihre Einzelausstellung in der Staatlichen Graphischen Sammlung / Pinakothek der Moderne in München fertiggestellt wurde und nun in der Beletage der Galerie ausgestellt ist. In acht Variationen interpretiert die Künstlerin eine Grisaille Franz Marcs, die sich mit der mythologischen Verführung der Prinzessin Leda durch Zeus in der Gestalt eines Schwanes auseinandersetzt.
Anderswo sind vier nackte Männer auf vier großen Leinwänden zu sehen. Ihre Nonchalance wird durch die Freiheit ihrer Umgebung gespiegelt, und ihre scheinbare Indifferenz gegenüber den Betrachtenden, die im starken Kontrast zu ihrer inszenierten Pose steht, drückt ein gewisses Verlangen aus. „Wir können über den männlichen Blick, das Patriarchat, die Komplexität des männlichen Aktes und seine Symbolik im Gegensatz zur relativen Verflachung der Frau im Laufe der Jahrhunderte sprechen.“, schreibt Catherine Foulkrod in ihrem Katalogtext. „Oder wir können uns in eine transsubjektive Sphäre begeben. Wir können ‚keine Angst vor permanent partiellen Identitäten und widersprüchlichen Standpunkten‘ haben. Wir können sogar Freude an der Verwirrung, der Durchlässigkeit und der Fülle von Standpunkten und Sichtweisen finden. Oder wir können Natur und Kultur zu einem Körper verschmelzen lassen.“, folgert die Autorin.
Auseinanderfallende Körper und mysteriöse Gesichter, die sich gerade genug in die Umgebung abstrahieren, ohne je ganz darin zu verschwinden, bevölkern Browns großformatige Leinwände, als ob sie entfernten Erinnerungen oder einem Traum entspringen würden. „Erst die Menge erlaubte es ihr, ein Gesicht zu malen.“, stellt Foulkrod in ihrem Essay heraus. „Im Vergleich zum Malen des Gesichts einer einzelnen Figur, war das Malen von Gesichtern innerhalb einer Gruppe, eines Harems, einer Gang, ‚auf eine andere Weise befreiend‘. Es erlaubte den Gesichtern, sowohl singulär als auch kollektiv zu sein, Punkte zu sein, ohne im Mittelpunkt zu stehen. Sie sind gleichzeitig deine und meine und seine und ihre und unsere. In Blue Sky with Nudes sind die Gesichter differenziert und doch fluide, sie sind mit dem Himmel und der Himmel zugleich, eine ständige Verwandlung. Sie sind ein Ausweg aus binären Fallen, eine Entfrostung des Blicks. Und während sich unsere Augen um die Gesichter herum und durch sie hindurchbewegen, verwandeln auch wir uns.“
Die Kraft in Browns Bildern liegt darin ein Gefühl der Unsicherheit und der unklaren Grenzen zu kreieren, ein Wirrwarr unserer Welt und das einer anderen. Oder, wie Kehlmann es ausdrückt: „Bin ich noch der Betrachter oder schon der, der betrachtet wird?“
Contemporary Fine Arts is excited to present The Spell,Cecily Brown’s fifth solo exhibition at the gallery since 2001. Encompassing the artist’s recent paintings and drawings, the show is centered around topics of the male nude and the still life.
Brown’s still lives, with birds’ wings disappearing in layers of red paint, may be rooted in the traditions of Old Masters who made use of the genre to symbolize life’s impermanence, as a reminder of our certain deaths; and yet however ominous the whirlwinds in Brown’s paintings may seem, there is nothing still, nothing dead about them. On the titular The Spell, Daniel Kehlmann notes in his catalogue text: “It’s unfathomable, and at the same time possesses complete clarity. In the small shrewd face looking at me triumphantly somewhat above the center I think I recognize a magician. I’m unable to read this face; instinctively I’d like to know whether it’s well-disposed toward me, but it keeps its mystery. Then the red swirls of color lead me deeper and deeper into corridors, chasms, abysses, and the suspicion arises in me that the titular “spell” is not something being portrayed on the painting but rather the very fact that I can’t tear myself away from it.”
Correspondingly, the dark, demonic character of her pastels, echoing art historical traditions and influences ranging from Bosch to Bruegel is akin to “a veritable witches’ sabbath: shadowy demons, voracious birds, tortured bodies, and magical creatures, the full force of those ancient fears that nameless storytellers banished into fairy tales, which astonish, confuse, and frighten us to this day.” Influence of both Old and Modern Masters but also Brown’s ability to overcome them is also visible in the work Lady and the Swan exhibited in the gallery’s bel etage, made specifically for her solo exhibition at Staatliche Graphische Sammlung/Pinakothek der Moderne in Munich held earlier this year. In eight variations, the artist reimagines a grisaille by Franz Marc treating the subject of the mythological seduction of princess Leda by the god Zeus in the guise of a swan.
Elsewhere, four naked men stand in four large canvases. Their nonchalance is mirrored in the freedom of their surroundings, and the seeming indifference they are directing toward the viewer, yet contradicted in their staged postures, demanding desire. “We can talk about the male gaze, the patriarchy, the complexities of the male nude and its symbolism in contrast to the relative flattening of the female over the centuries,” notes Catherine Foulkrod in her catalogue essay. “Or we can linger in a transubjective sphere. We can be ‘not afraid of permanently partial identities and contradictory standpoints.’ In fact we can find pleasure in the confusion, permeability and profusion of stances and points of view. We can merge nature and culture into one body,” the writer concludes.
Disintegrating bodies and mysterious faces, abstracted into their surroundings just enough without disappearing completely, populate Brown’s large-scale canvases as if emerging from a distant memory, or a dream. “It was the crowd that allowed her to paint the face,” as Foulkrod points out in her essay. “In comparison to painting the face of a single figure, painting faces within the group, the harem, the gang, ‘was freeing in a different way.’ It allowed the faces to be both singular and collective, to be points but not focal points. To be yours and mine and his and hers and theirs and ours all at once. In Blue Sky with Nudes, the faces are differentiated yet fluid, they are with sky and sky, a continual transforming. They are a way out of binary traps, an unfreezing of the gaze. And as our eyes move around and through the features, we transform too.”
The power of Brown’s paintings is to create the sense of uncertainty and unclear boundaries, a jumble of our world and some other. Or, as Kehlmann wonders: “Am I still the viewer or already the one being viewed?”