Bilder aus einer Berliner Privatsammlung - Bernd Koberling

Bilder aus einer Berliner Privatsammlung

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PRESSEMITTEILUNG

Contemporary Fine Arts freut sich, die Ausstellung von Bernd Koberling mit Bildern aus den Jahren 1968 – 1992 zu präsentieren.

Koberling hat als einer der wenigen gebürtigen Berliner (Jahrgang 1938) nie ein Interesse an den Themen der Großstadt gezeigt. Seine nordischen Landschaften und Szenerien entstehen in Berlin, aus dem er immer wieder durch Reisen nach Island, Schottland und Lappland ausbricht. Vulkanische Räume, Blocklavagestein, Kormorane, Brüter, Landschaften, Strandarbeiter, Wale und Metamorphosen – diese Themata scheinen von der Großstadtwirklichkeit weitab zu liegen. Gegenüber der dominanten urbanen Welt stellt er die in sich ruhende, immer selbstverständliche Naturwirklichkeit. Es ist die unmittelbare Natur, die in den arktischen Gegenden besser als in den durch den Menschen verwandelten Landstrichen erfahrbar wird.

Und dennoch: Huldigt heute ein Maler nicht des Eskapismus, der in der Großstadt Klatschmohn, Kormorane, Wale oder Flussmündungen darstellt? Die Frage wendet sich gegen den Fragenden selbst, denn es könnte sein, dass der Eskapismus die einzige Rettung des Menschen ist, der in der komplexen Großstadt zu überleben versucht. Koberling bejaht darum den bewussten Eskapismus, auch der Elfenbeinturm hat seine positive Funktion, insofern er einzelnen die Chance bietet, sich wieder dem Elementaren zu nähern.

Möglich wurde die Ausstellung, weil wir Zugriff auf eine Berliner Privatsammlung hatten. In fast 50-jähriger Sammlungstätigkeit, die Koberling über diesen Zeitraum mit Ankäufen begleitet hat, ist ein Konvolut von mehr als 40 Bildern und zahlreichen Papierarbeiten zusammengekommen. Davon haben wir für unsere Ausstellung 14 Bilder ausgewählt. In dem Zusammenhang ist es auch wichtig zu erwähnen, dass alle gezeigten Bilder unverkäuflich sind!

Für Bernd Koberling, CFA und das Berliner Publikum ist es ein Glücksfall, diese Werke noch einmal gemeinsam erleben zu können.

Unser ganz besonderer Dank gilt der Berliner Privatsammlung, die mit bemerkenswerter Offenheit und Tatkraft die Realisierung dieser Ausstellung ermöglicht hat.

Interview im Monopol Magazin


PRESS RELEASE

Contemporary Fine Arts is pleased to present an exhibition of works by
Bernd Koberling featuring paintings from the years 1968 to 1992.

As one of the few native Berliners (born in 1938), Koberling has never shown an interest in the themes of urban life. His Nordic landscapes and sceneries are created in Berlin, though he repeatedly escapes the city through travels to Iceland, Scotland, and Lapland. Volcanic terrains, block lava rock, cormorants, nesting birds, landscapes, beach workers, whales, and metamorphoses—these subjects seem far removed from urban reality. In contrast to the dominant urban world, he presents a self-contained and ever-present natural reality. It is the immediacy of nature, more tangible in Arctic regions than in landscapes shaped by human intervention, that defines his work.

And yet, does a painter today not embrace escapism when depicting poppies, cormorants, whales, or river estuaries in the midst of a metropolis? The question ultimately turns on the questioner, for perhaps escapism is the only salvation for those striving to survive in the complexity of city life. Koberling consciously affirms this kind of escapism; even the ivory tower has its positive function, as it offers individuals the opportunity to reconnect with the elemental.

This exhibition has been made possible through the generous cooperation of a Berlin-based private collection. Over nearly 50 years of collecting, with acquisitions spanning this entire period, a body of more than 40 paintings and numerous works on paper has been assembled. From this collection, we have selected 14 paintings for the exhibition. It is also important to note that all works on display are not for sale.

For Bernd Koberling, CFA, and the Berlin audience, it is a rare privilege to experience these works once again.

Our deepest gratitude goes to the Berlin Private Collection, whose remarkable openness and commitment have made this exhibition a reality.

Text von Kay Heymer »Eine Positionsbestimmung« erschienen im Katalog Bernd Koberling: Werke 1963–2017, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, 2017.

Der Maler Bernd Koberling kann auf 60 Jahre seiner eigenen Kunstentwicklung zurückblicken – ein Zeitraum, in dem sich die vorherrschenden Vorstellungen über Kunst dramatisch verändert haben und doch auch konstant geblieben sind. Bildende Kunst ist eine wesentliche Arena der Ausbildung und Wirkung des kulturellen Gedächtnisses, und sie wirkt dabei im Sinne einer Vergegenwärtigung von Ideen und Emotionen, durch die unsere alltägliche Aktualität überwunden wird. Ihre Ausstrahlung ist in der Lage, tiefer in Raum und Zeit einzugreifen. (1) Ein Kunstwerk steht im Spannungsverhältnis zwischen Neuheit und Allgemeingültigkeit; der Künstler muss seine eigene Sprache finden, um diesen beiden Polen entsprechen zu können. Die Auseinandersetzung mit Tradition und Gegenwart kann dabei nicht konfliktfrei und bruchlos erfolgen, sondern allein durch die Überwindung von Widerständen und eine gleichzeitig respektvolle und respektlose Haltung den Vorläufern gegenüber. Für die Generation der Künstler, zu denen Bernd Koberling gehört, ist die Erfahrung der völligen Zerstörung und der völligen Relativierung kultureller Werte, bedingt durch zwölf Jahre Faschismus und den Zweiten Weltkrieg, in besonderer Weise bestimmend geworden.

Bernd Koberling entschloss sich im Jahr 1957, Künstler zu werden, und ging 1958 an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin, wo Max Kaus sein Lehrer wurde – ein Expressionist der zweiten Generation. Nach dem Krieg hatte Karl Hofer die Akademie neu aufgebaut und in seiner Ausrichtung an den Expressionismus und die klassische Moderne der Jahre vor der NS-Diktatur angeknüpft. Im selben Jahr sah Koberling nun dort die große Ausstellung »Die neue amerikanische Malerei«, die nicht nur für ihn zu einer Schlüsselerfahrung wurde. Eine ganze Generation von Künstler wurde von dieser Wanderausstellung beeinflusst. (2) Dieses aufwendige Projekt fügte sich nahtlos in eine Kampagne ein, mit der die neue Kunst in Westeuropa in diesen Jahren vom Slogan der »Abstraktion als Weltsprache« beherrscht wurde, der als zentrale Metapher für die Kultur der freiheitlichen westlichen Welt gegen die sozialistischen Diktaturen in der Einflusssphäre der UdSSR in Stellung gebracht wurde. (3) Auch ohne Berücksichtigung dieser damals nicht offen propagierten politischen Implikationen war die Wirkung der hier zu sehenden neuen amerikanischen Malerei für viele junge Künstler ein ebenso befreiender wie verunsichernder Schock.

Bernd Koberling war besonders beeindruckt von Sam Francis und Willem de Kooning. Hatte er vor dieser Ausstellung noch die Chromatik der Malerei von Ernst Wilhelm Nay aufgesogen und die besondere Form der Auseinandersetzung mit dem Kubismus bei Emilio Vedova studiert, waren es nun die intensiven Farben der Riesenbilder von Sam Francis, wie etwa das »komische warme Orange, kombiniert mit Violett« in dem Gemälde Big Red (1953), einem Bild von 305 x 198 cm, das ihn regelrecht »umhaute« und den Eindruck der europäischen Bilder stark in den Hintergrund treten ließ. (4) Von de Kooning wurde ein eindrucksvolles schwarzes Bild von 1948 gezeigt, außerdem die beiden Gemälde Woman I und Woman II von 1950-52 sowie zwei neuere Abstraktionen.

Koberling war begeistert von der Energie dieser Bilder sowie von der Behandlung der Farbe durch die amerikanischen Maler und ihre Fähigkeit, nicht gesehene, also wirklich neue Bilder vor Augen zu stellen. Rückblickend ergänzt Koberling noch den Hinweis auf die Abgeklärtheit und Reife dieser Maler, die ihm als jungem Künstler zunächst nicht bewusst wurden, die aber eine entscheidende Rolle spielten. (5)

Diese neuen und überwältigenden Eindrücke musste Koberling nun mit seinen bisherigen Erfahrungen mit der europäischen Tradition in Einklang bringen. Kurz vor Beginn seines Studiums hatte er 1957 im Haus am Lützowplatz eine Ausstellung des polnisch-jüdischen Malers Jankel Adler gesehen – hier begegnete ihm das Werk eines Künstlers, der sich intensiv mit Picassos Kubismus beschäftigt hatte und sehr feinfühlig darauf reagierte. Für Koberling war das Beispiel Adlers der Inbegriff für moderne Kunst – eine Vorstellung, die durch das spätere Erlebnis der amerikanischen Ausstellung erschüttert wurde. Doch so sehr der Abstrakte Expressionismus ihn begeistern konnte, er wurde für Koberling nicht zur Norm, denn er wollte in seiner eigenen Malerei nicht auf Inhalte verzichten. Sowohl seine Arbeiten im Kontext der »Gruppe Vision« (1960-61) als auch die in England Zwischen 1961 und 1963 entstandenen Bilder zeigen, dass er zwischen den europäischen Wurzeln und der Wucht der amerikanischen Abstraktion einen eigenen Weg suchte. Er brauchte den Gegenstand als Widerstand – mit de Kooning als einem jener Amerikaner, die ihn besonders interessierten und der auch nicht völlig auf den Gegenstand verzichten wollte.

Koberling, der neben seiner Ausbildung zum Maler noch bis 1968 als Koch arbeitete, begann früh, in die Natur zu gehen, reiste nach Lappland, um Angler und Fische zu malen. Koberling wurde zu einem Maler, dessen Bilder seine Naturerfahrung reflektieren und aufbrechen. Christos Joachimides überschrieb seinen Essay im Katalog zu Koberlings Einzelausstellung in Berlin und Leverkusen 1978 »Bilder von der Natur« und wiederholte dort einen Satz, den er schon 1969 geschrieben hatte: »Landschaft wird von ihm als Signal für eine Wirklichkeit gesetzt, die nicht vorhanden ist.« (6) Koberling ist ein Landschaftsmaler, dessen Bilder jedoch nicht ungebrochen Gesehenes abbilden, sondern ihre Motive suspendieren. Der Gehalt seiner Bilder blieb stets vielschichtig und verwies auf die grundsätzlichen Brüche zwischen Naturerfahrung und künstlerischem Handeln.

Koberling war mit dieser ambivalenten Haltung zwischen Motiv und Abstraktion in seiner Generation nicht allein – auch Malerfreunde wie Georg Baselitz und Markus Lüpertz rangen in dieser Zeit darum, ihre Bilder mit Inhalten zu füllen, deren Verbindlichkeit und Gültigkeit jedoch fragwürdig sind. Lüpertz erfand die Form der Dithyrambe, um Gegenstände wie Zelte oder Comicfiguren in abstrakte Hieroglyphen zu verwandeln, und Georg Baselitz begann ab 1966, seine Motive in den Frakturbildern zu zerschneiden oder aufzureißen. Koberling erprobte unterschiedliche Verfahren, um zu gültigen Bildern zu gelangen: »Inzwischen hatte ich mich entschieden, nur noch Landschaften zu malen, ohne Menschen und ihre Machwerke. Ich experimentierte viel, war noch immer auf der Suche, Mittel für eine neue – präziser: mir entsprechende Landschaftsdarstellung zu finden. […] Lieber wollte ich unprätentiös wie ein Anstreicher malen als in die Ästhetik des Informel zurückfallen. In diesen Phasen des Suchens war jede Mal-Minute voller Überraschungen, der Zufall brachte mich weiter als festgelegte Absichten«, (7) schrieb er 1977 rückblickend über seine Arbeit um 1965. Kompositorische Vereinfachung und Konzentration schienen einen Ausweg zu bieten, nachdem er Anfang 1965 die Reihe der Sumpfblumen gemalt hatte: »Malerische Spontaneität und inhaltlich-gegenständliche Absicht stellten für mich einen unlösbaren Widerspruch dar. Die Eigenart der Natur mit ihrem Licht und unaussprechbaren Farben blieben mir weiterhin unausdrückbar. Ich ging ins andere Extrem und malte die Bilder Weiße Wolke und Gelbe Wolke, Gletscher und Diagonaler Baumstamm. Die Individualform ließ ich unbeachtet. Der Berg ist seines Zeichens Dreieck. Für Wasser setzte ich rot, die Wolke war gelb, die Umrisslinien der Berge schwarz auf weißem Grund. Diese Bilder gefielen mir gut. Sie hatten die Gelöstheit und Freiheit, die ich anstrebte. Ich sagte mir, je intimer das Bild, umso gröber die Mittel.« (8)

Kurz darauf entdeckte er mit den »Überspannungen« eine neue Maltechnik, mit der er durch mehrere übereinander gespannte Nesselbahnen sowie eine lichtdurchlässige Plastikfolie Gemälde erzeugt, in denen die malerische Gestik zurücktritt und eine beruhigte, stille Atmosphäre entsteht, die den Landschaftseindruck subtil verfremdet. Diese Phase ging zum Teil auf die Erfahrung der Pop-Art zurück, deren Künstler wie Allan D’Arcangelo oder Roy Lichtenstein mit Versatzstücken und Klischeeformen von Landschaften arbeiteten, denen Koberling seine Landschaftsauffassung entgegenstellte.

Nach der Phase der Überspannungen und einer Krise während seines Italienaufenthaltes in der Villa Massimo, in der er politisch-ästhetische Sprachbilder malte, aus denen auch das Terrorbild entstand, kehrte Koberling mit dem Malwasser zur direkten Malerei zurück. Er schuf schließlich ein Gesamtwerk, in dem er seine unmittelbaren Natureindrücke auf vielfältige Weise malerisch umsetzte und dabei zahllose Stufen malerischen Ausdrucks mit einer außerordentlichen Bandbreite emotionaler Stimmungen demonstrierte. Bernd Koberling gehört zu den wichtigsten deutschen Malern seiner Generation.

Seine Bilder sind beispielhafte Vergegenwärtigungen, deren anhaltende Wirkung sie über ihre historischen Entstehungsbedingungen hinausträgt. Sein Werk steht heute souverän und gelassen da, es muss nicht mehr als Teil einer Schule, Bewegung oder eines Stils klassifiziert werden. Was mit der Ausstellung »A New Spirit in Painting« 1981 behauptet worden war, kann heute als gesichert gelten. Bernd Koberling gehört dazu.

Als Maler hat sich Bernd Koberling in den vergangenen fünf Jahrzehnten durchgesetzt; es ist jedoch auch interessant, einige Stichworte zur Wirkungsgeschichte seiner Malerei und seiner Rolle in der Kunstszene zu ergänzen.

Koberling war mit Markus Lüpertz, K. H. Hödicke und Lambert Maria Wintersberger einer der Mitstreiter der kurzlebigen Künstlergruppe und Galerie »Großgörschen 35«, die ab 1964 eine wichtige Rolle in der Berliner Kunstszene spielte. René Block organisierte 1965 eine Retrospektive dieser Galerie und war 1967 dann auch der Initiator der Ausstellung »Hommage à Lidice«, für die er 21 Künstler dazu einlud, Arbeiten zum Gedenken an die Auslöschung des Dorfes Lidice durch die SS als Rache für den Mord am »Reichsprotektor« für Böhmen, Reinhard Heydrich, zu stiften. Die Ausstellung wurde zunächst im Oktober-November 1967 in der Berliner Galerie von René Block gezeigt und anschließend am 3. Juli 1968 auf Wunsch von Jindrich Chalupecký in dessen Spalá-Galerie in Prag präsentiert. Neben Koberling waren u.a. Werke von Hans Peter Alvermann, Joseph Beuys, Gotthard Graubner, Jörg Immendorff, Konrad Lueg, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Chris Reinecke, Gerhard Richter und Stefan Wewerka zu sehen. (9) Dies war eine der frühesten wichtigen Ausstellungsteilnahmen von Bernd Koberling.

1969 nahm er an der viel beachteten Ausstellungsreihe »14 x 14« in der Kunsthalle Baden-Baden teil, 1972 an »Szene Rhein-Ruhr« in Essen und an der von Christos Joachimides ausgerichteten Präsentation »The Berlin Scene« in London. 1975 folgte die Gruppenausstellung »8 in Berlin« in Edinburgh und 1978 »13° East. Eleven Artists Working in Berlin« in der Londoner Whitechapel Art Gallery. Reinhard Onnasch hatte in der Zwischenzeit eine Sammlung von 13 Gemälden zusammengestellt und brachte sie 1978 im Rahmen der Ausstellung »Aspekte der 60er Jahre. Aus der Sammlung Reinhard Onnasch« als Dauerleihgabe in die Nationalgalerie Berlin ein.

Als dann in den 1980er Jahren die Welle der sogenannten »Wilden Malerei« ausgelöst wurde, war es kaum überraschend, dass auch Bernd Koberlings Werk eine Neubewertung erfuhr.

Seine Teilnahme an der von Christos Joachimides, Norman Rosenthal und Nicholas Serota organisierten Ausstellung »A New Spirit in Painting« 1981 in der Royal Academy in London markierte den Beginn einer Reihe umfassender Ausstellungen, in denen Koberling international präsentiert wurde – »Berlin – la rage de peindre« 1982 im Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne, »New Painting in Germany« 1982 im Tel Aviv Museum of Art, »New Figuration – Contemporary Art from Germany« 1982 in der Frederick S. Wight Art Gallery Los Angeles, »Zeitgeist« 1982 im Martin-Gropius-Bau Berlin, »La Métropole retrouvée« 1983 im Musée des Beaux-Arts in Brüssel, »Origen y Visión« 1984 im Centre Cultural de la Caixa de Pen-sions Barcelona, »An International Survey of Recent Painting and Sculpture« 1984 im Museum of Modern Art New York.

Koberling wurde 1982 in dem viel beachteten Buch »Hunger nach Bildern« von Wolfgang Max Faust und Gerd de Vries zusammen mit K. H. Hödicke als Vaterfigur der Berliner Vertreter der »Heftigen Malerei« – Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer – beschrieben. Die Aufmerksamkeit für sein singuläres Werk hatte sich in der ersten Hälfte der 1980er Jahre rasant gesteigert, doch unter Schlagworten wie »Neue Wilde« oder »Neoexpressionismus« ließ es sich nicht fassen. Die intensiven, mit diesem Trend einhergehenden kritischen Diskurse – Attacken von Benjamin Buchloh und aus dem Kreis der konzeptuell ausgerichteten Zeitschrift »October«, Kritiker wie Douglas Crimp und Verteidiger wie Siegfried Gohr oder der amerikanische Kunsthistoriker Donald Kuspit – ließen Koberlings Werk weitgehend unberücksichtigt.

Bereits ab 1976 hatte Bernd Koberling Gastdozenturen an den Akademien in Hamburg, Düsseldorf und Berlin inne, und von 1981 bis 1988 lehrte er als Professor zunächst an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, ab 1988 dann bis zu seiner Emeritierung an der Universität der Künste in Berlin. »Für ihn war die innere Notwendigkeit, was immer sie hervorbringen mochte, der ausschlaggebende Antrieb […], nicht falsches Epigonentum. Dieses Müssen, dem er bis heute kompromisslos folgt, hat er seinen SchülerInnen nahegebracht und sie verehren ihn dafür«, schrieb der Kunsthistoriker Eugen Blume anlässlich einer Gruppenausstellung zu Ehren Koberlings im Künstlerhaus Bethanien, in dem seine Werke gemeinsam mit Werken von zehn seiner Studentinnen und Studenten ausgestellt wurde. (10) Diese Charakterisierung trifft Bernd Koberlings künstlerische Haltung genau, und sie bestimmt bis heute die außerordentliche Qualität seiner Werke. Bis heute arbeitet er auf ausgedehnten Reisen im hohen Norden, in der Ungestörtheit der Natur. Sein Werk ist wohltuend frei von Tagesfragen und vorgeblich aktuellen Diskursen. Seine Kunst ist gekennzeichnet von großer Ernsthaftigkeit, Demut und Kraft.

1 Hierzu Jan Assmann, Religion und kulturelles Gedächtnis, Verlag C. H. Beck, München 2000.
2 Vgl. Johannes Gachnang, »From continent to continent«, in: Europa/Amerika.
Die Geschichte einer künstlerischen Faszination seit 1940, Ausstellungskatalog Museum Ludwig, Köln 1986, S. 337-342; 337: »Baselitz hat sie in Berlin gesehen, Nitsch in Wien, ich selbst in Basel, und Kounellis wird sie in Rom nicht versäumt haben …«.
3 Typisch ist hier der opulente Bildband von Georg Poensgen und Leopold Zahn, Abstraktion.
Eine Weltsprache, Woldemar Klein Verlag, Baden-Baden 1958. Die »documenta li« im Sommer 1959 folgte dieser Maßgabe sehr deutlich und stellte die Stilrichtungen des Informel und des Abstrakten Expressionismus in den Vordergrund.
4 Der Eindruck dieses Bildes war Bernd Koberling in einem Gespräch vom 22. September 2017noch absolut gegenwärtig – fast 60 Jahre nach dieser Ausstellung.
5 Ebd.
6 Bernd Koberling. Malerei 1962-1977, Ausstellungskatalog Haus am Waldsee Berlin und Städtisches
Museum Schloss Morsbroich Leverkusen, Berlin 1978, S. 7.
7 Ebd., S. 16.
8 Ebd., S. 17.
9 René Block, »Kein Denkmal, sondern Denkanstöße«, in: Deutschlandbilder. Kunst aus einem geteilten Land, Ausstellungskatalog Martin-Gropius-Bau Berlin, DuMont, Köln 1997, S. 246-249.
10 Vitales Echo, Ausstellungskatalog Künstlerhaus Bethanien, Berlin 2016, S. 13.

Text by Kay Heymer »Determining Position« published in the catalog Bernd Koberling: Works 1963–2017, MKM Museum Küppersmühle for Modern Art, Duisburg, 2017.

The painter Bernd Koberling can look back on sixty years of artistic development – a period in which the prevailing notions of art have undergone dramatic change, yet still remained constant. The visual arts constitute an essential arena in shaping the development and impact of cultural memory and serve as a visualisation of ideas and emotions for overcoming our quotidian reality. Their radiant aura is possessed of the capacity to penetrate deeper into time and space. (1) A work of art exists inherently within a state of tension between novelty and universality; the artist must find his own language in order to accommodate both these poles. The confrontation with tradition and the present cannot be negotiated without conflict or fracture, but solely through overcoming resistance, while at the same time maintaining a respectful and disrespectful attitude towards predecessors. For the generation of artists to which Bernd Koberling belongs, the experience of the total destruction and the wholesale relativising of cultural values, occasioned by twelve years of fascism and the Second World War, was highly instrumental.Bernd Koberling decided to become an artist in 1957, before enrolling in 1958 at West-Berlin‘s Academy for Fine Arts, where he studied under Max Kaus – an Ex-pressionist of the second generation. After the war, Karl Hofer rebuilt the academy and picked up on its pre-Nazi era focus on Expressionism and classical modernism. In the same year, Koberling attended the ground-breaking exhibition »New American Painting«, which proved to be a seminal experience – not only for him.An entire generation of European artists were influenced by this travelling exhibition. (2) This landmark project comported seamlessly with the campaign under whose rallying cry »abstraction as a global language« came to dominate new art in Europe at the time, and which was deployed as the central metaphor for the culture of the free Western world against the socialist dictatorships in the USSR‘s sphere of influence. (3) Even leaving aside the covertly propagated political implications, the impact of new American painting on show here was for many young artists as liberating as it was unsettling.

Bernd Koberling was particularly impressed by Sam Francis and Willem de Kooning. Having absorbed the chromaticism of Ernst Wilhelm Nay prior to the exhibition and having studied Emilio Vedova‘s special form of Cubism under the artist himself, it was now the intensive colours of Sam Francis‘s monumental works, such as the »strange warm orange, combined with violet in the painting Big Red (1953), a canvas measuring 305 x 198 cm, which truly »bowled him over« and eclipsed the impression left by European painting. (4) On view were also a stunning black work by de Kooning from 1948, the two pictures Woman I and Woman II from 1950-52, together with two more recent abstract canvases. Koberling was thrilled by the raw energy of these images and by the American painters‘ treatment of colour and their ability to present previously unseen, i.e. genuinely new, paintings. Recalling this experience in later years, Koberling also highlighted the confidence and maturity of these painters, who, whilst unknown to him as a young artist, came to play a huge role in his development. (5)

Now Koberling had to reconcile these new and overwhelming impressions with his experience of the European tradition. Shortly before commencing his studies, he attended an exhibition in 1957 of the Jewish-Polish painter Jankel Adler, hosted in a house on Lützowplatz. Here, he encountered the works of an artist who had preoccupied himself intensively with Picasso‘s Cubism and responded sensitively to it. Koberling saw in Adler‘s reaction the embodiment of modern art – a notion which was subsequently shattered by his experiences at the American exhibition.But as enthusiastic as Koberling was about Abstract Expressionism, it did not wield a normative influence on his artistic practice, as he was not prepared to forego content in his painting. Works completed under the auspices of the »Gruppe Vision« (1960-61) and in England between 1961 and 1963 clearly illustrate that he was negotiating his own very distinct path between his European roots and the vigour of American abstraction.He needed figuration as a form of resistance – in conjunction with de Kooning, an American artist who interested him keenly, and who was also reluctant to fully dispense with the object.

Working as part-time as a cook until 1968 whilst training as painter, Koberling began at an early stage to immerse himself in nature, travelling to Lapland in order to paint anglers and fishermen. Koberling became an artist whose images reflected and assimilated his experiences in the natural world. In the catalogue accompanying Koberling‘s 1978 solo exhibition in Berlin and Leverkusen, Christos Joachimides titled his essay »Images from Nature« and reiterated an observation he had initially made back in 1969: »Landscape is deployed by him to signify a reality which does not exist.« (6) Koberling is a landscape painter, whose paintings, however, are not a faithful reproduction of what he sees, but which sublate their motifs. The content of his paintings has always remained multilayered and referenced the fundamental fault lines between the experience of nature and artistic activity.

Koberling was not alone among his generation in his ambivalent attitude towards motif and abstraction – other artist friends such as Georg Baselitz and Markus Lüpertz also wrestled during this time to fill their paintings with content, whose pertinence and validity are, however, questionable. Lüpertz invented the form of the dithyramb in order to transform objects, such as tents or comic figures, into abstract hieroglyphics, and in 1966 Georg Baselitz began to cut or tear up his motifs into fractured images. Koberling experimented with various techniques to attain valid images: »In the meantime, I had decided to only paint landscapes, devoid of people and their handiwork. I experimented a great deal, continually searching for the means to find a new way of depicting the landscape, or to be more precise, one that had more to do with me. […] I preferred to paint as un-pretentiously as a house painter, rather than regress into the aesthetic of Informel. In this phase of my quest, every minute spent painting was full of surprises; coincidence brought me much further than defined intentions«, (7) he wrote in 1977, looking back at his work completed around 1965. Compositional simplification and concentration seemed to offer a way out after he had painted a series of Marshland Flowers in early 1965: »Painterly spontaneity and thematic, figurative intention posed for me an irreconcilable contradiction. The unique qualities of the natural world with its light and ineffable colours continued to elude expression.I went to the other extreme and painted the works Weiße Wolke and Gelbe Woke, Gletscher and Diagonaler Baumstamm. I left the individual forms unheeded. The mountain is in itself a triangle. For water I used red, the cloud was yellow, the contours of the mountains black on a white ground. I really liked these paintings. They had the serenity and freedom I was striving for. I told myself that the more intimate the painting, the more primitive the means.« (8)

Shortly afterwards, he invented the »Overstretching«, a new painting technique, with which he produces paintings using several strips of nettle cloth, spanned over with transparent plastic foil, in which the painterly gesture recedes to evoke a becalmed and tranquil ambience, which subtly subverts the impression of the landscape. This phase can partly be traced back to his experiences with Pop Art, the principal protagonists of which, such as Allan D‘Arcangelo and Roy Lichtenstein, worked with fragments and cliched forms of landscapes, which Koberling juxtaposed with his own concept of landscape.

After this phase of »Overstretchings« – and following a crisis during an Italian residency at the Villa Massimo in Rome, where he fashioned politically aesthetic language paintings which later resulted in the Terror Painting – with Paintwash, Koberling returned to painting directly. Eventually, he created a holistic work, in which he translated onto canvas his immediate impressions of nature in a variety of ways, demonstrating finely calibrated nuances of painterly expression with an extraordinary spectrum of emotional states. Bernd Koberling ranks among the most important German painters of his generation.

His paintings are exemplary visualisations, the enduring impact of which extends far beyond the historical conditions of their genesis. Today, his oeuvre stands proud and confident, no longer requiring classification as belonging to a particular school, movement, or style.The aspiration promulgated in the title of the 1981 exhibition »A New Spirit in Painting« can today be regarded as fulfilled. And Bernd Koberling embodies this spirit as well. Over the past five decades, Bernd Koberling has established himself as a painter of world renown. It is, however, interesting to expand a little on a number of milestones charting the impact of his painting and his role in the art scene. Together with Markus Lüpertz, K. H. Hödicke, and Lambert Maria Wintersberger, Koberling was a member of the shortlived artist group and gallery»Grogörschen 35«, which from 1964 onwards played an important role in the Berlin art scene. In 1965, René Block organised a retrospective of this gallery and in 1967 was also an initiator of the exhibition »Hommage à Lidice«, for which he invited twenty-one artists to donate works in commemoration of the destruction of the village Lidice by the SS, as a reprisal for the murder of the »Reichsprotektor« for Bohemia, Reinhard Heydrich. The exhibition was initially presented in René Block‘s gallery in Berlin in October/November 1967 and later in Jindrich Chalupecky‘s Spalá gallery in Prague, opening on 3 July 1968. In addition to Koberling, the show also exhibited works by Hans Peter Alvermann, Joseph Beuys, Gotthard Graubner, Jörg Immendorff, Konrad Lueg, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Chris Reinecke, Gerhard Richter, and Stefan Wewerka. (9) This was one of the first important exhibitions in which Bernd Koberling participated.

In 1969, he took part in a highly regarded series of exhibitions: »14 x 14,« mounted in the Kunsthalle Baden-Baden; in 1972 in the »Szene Rhein-Ruhr« in Essen and in the survey »The Berlin Scene«, organised by Christos Joachimides in London. These were followed in 1975 by the group exhibition »8 in Berlin« in Edinburgh, and in 1978 »13° East. Eleven Artists Working in Berlin« in London‘s Whitechapel ArtGallery. In the intervening period, Reinhard Onnasch had assembled a collection of thirteen paintings which – in 1978 in conjunction with the exhibition »Aspects of the 60s. From the Collection of Reinhard Onnasch« – he put on long-term loan to the Nationalgalerie in Berlin. When the wave of the so-called »Wild Painting« swept through the art scene in the 1980s, it was hardly surprising that the works of Bernd Koberling also underwent a reappraisal. His participation in the 1981 exhibition »A New Spirit in Painting,« Staged in London‘s Royal Academy by Christos Joachimides, Norman Rosenthal, and Nicholas Serota, marked the beginning of a series of comprehensive exhibitions in which Koberling was presented to international audiences: in 1982, »Berlin – la rage de peindre« at the Musée cantonal des Beaux-Arts Lausanne, »New Painting in Germany« at the Tel Aviv Museum of Art, »New Figuration – Contemporary Art from Germany« at the Frederick S. Wight Art Gallery Los Angeles, »Zeitgeist« at the Martin-Gropius-Baun Berlin, in 1983, »La Métropole retrouvée« at the Musée des Beaux-Arts in Brussels, in 1984, »Origen y Visión« at the Centre Cultural de la Caixa de Pensions Barcelona and »An International Survey of Recent Painting and Sculpture« at the Museum of Modern Art New York.

In the highly acclaimed book »Hunger nach Bildern« by Wolfgang Max Faust and Gerd de Vries, Koberling was hailed, together with K. H. Hödicke, as the father figure of the Berlin-based protagonists of »Wild Painting«, including Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé, and Bernd Zimmer. The attention commanded by his singular oeuvre increased rapidly in the first half of the 1980s, but defied such classifications as »New Wild Ones« or »Neo-Expressionism.« The intensive critical discourse accompanying these movements – attacks by Benjamin Buchloh and the circle around the conceptual journal »October«, critics such as Douglas Crimp and defenders such as Siegfried Gohr or the American art historian Donald Kuspit – largely disregarded Koberling’s work.

From 1976 onwards, Bernd Koberling already held posts as visiting lecturer at academies in Hamburg, Düsseldorf, and Berlin; and from 1981 to 1988, he taught as professor at the University of Fine Arts in Hamburg and, from 1988 until his retirement, at the Berlin University of the Arts. »For him, the inner necessity, whatever it may spawn, was the driving force […], not false epigonism. This need, which he still uncompromisingly heeds to this day, is something to which he introduced his students and for which they admire him«, wrote the art historian Eugen Blume in the context of a group exhibition held in honour of Koberling at the Künstlerhaus Bethanien, which featured both his own works and those of ten of his students. (10) This characterisation accurately encapsulates Bernd Koberling‘s artistic approach and continues to shape the extraordinary quality of his oeuvre. Up to the present day, he continues to work on his extended trips into the high north, into the pris-tine natural environment. Refreshingly free of quotidian issues and supposedly topical discourse, this artist‘s body of work is characterised by great profundity, humility, and strength.

1 Cf. Jan Assmann, Religion und kulturelles Gedächtnis, Verlag C. H. Beck, Munich 2000.
2 Cf. Johannes Gachnang, »From Continent to Continent«, in: Europa/Amerika. Die Geschichte einer künstlerischen Faszination seit 1940, exhibition catalogue Museum Ludwig, Cologne 1986, pp. 337-342; 337: »Baselitz saw it in Berlin, Nitsch in Vienna, I myself in Basel, and Kounellis will not have missed it in Rome …..«
3 Typical is here the opulently illustrated volume by Georg Poensgen and Leopold Zahn, Abstraktion. Eine Weltsprache, Woldemar Klein Verlag, Baden-Baden 1958. The »documenta II« in the summer of 1959 followed this injunction very clearly and placed the stylistic direction of the Informel movement and Abstract Expressionism in the foreground.
4 Bernd Koberling was still very conscious of the impression left by this painting in a conversation on September 22, 2017 – almost sixty years after the exhibition.
5 Ibid.
6 Bernd Koberling. Malerei 1962-1977, exhibition catalogue Haus am Waldsee, Berlin and Städtisches Museum Schloss Morsbroich Leverkusen, Berlin 1978, p. 7.
7 Ibid., p. 16.
8 Ibid., p. 17.
9 René Block, »Not a Monument, but rather Food for Thought,« in: Images of Germany. Art from a Divided Land, exhibition catalogue. Martin-Gropius-Bau Berlin, DuMont, Cologne 1997, pp. 246-249.
10 Vitales Echo, exhibition catalogue Künstlerhaus Bethanien, Berlin 2016, p. 13.

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