“Bildnis einer Trinkerin” – 20., 21. und 22. August um 11 Uhr
“Freak Orlando” – 20., 21., und 22. August um 13 Uhr
“Berlinfieber” – 20., 21. Und 22. August um 15.30 Berlin Fieber
“Dorian Gray im Spiegel der Boulvardpresse” – 20., 21., und 22. August um 16 Uhr
“Paris Calligrammes” – 20. und 22. August um 18.45 Uhr
BERLINFIEBER (1973)
Happening für Ada 1
A) Kommen Sie mit Ihrem Wagen zur Osdorfer Straße in Berlin Lichterfelde (Sackgasse), letztes Stück der Straße auf der rechten Seite.
B) Nehmen Sie Aufstellung mit Ihrem Wagen in 10er-Reihen, so dicht wie möglich mit dem Auto nebeneinander und hintereinander.
C) Auf ein Zeichen hin fahren alle Wagen gleichzeitig los und versuchen so langsam zu fahren, wie es nur möglich ist. Versuchen Sie auch, so dicht hinter und neben den anderen Fahrzeugen zu bleiben.
D) Wenn Sie Begleiter im Auto haben, sollen diese aufschreiben, wieviel Male Sie schalten, kuppeln und Gas geben. Sind Sie alleine im Wagen, versuchen Sie sich über jede kleinste Handlung bewußt zu werden. Addieren Sie in Ihrem Gehirn alle diese Tätigkeiten als psychoästhetische Produktion.
E) Nach 30 Minuten langsamster Fahrt steigen Sie aus dem Wagen aus (Motor abstellen) und gehen zum Kofferraum Ihres Fahrzeuges, dort öffnen und schließen Sie den Kofferraum
750 mal und legen 375 mal einen weißen Teller hinein und nehmen ihn 375 mal wieder hinaus. Dieses Ritual soll möglichst schnell und ohne Unterbrechung realisiert werden, auch ohne Dramatik des Handelns.
F) Ist dieses Ereignis vollzogen, dann legen Sie Stoffbahnen auf die Erde vor der Autokolonne, Ihren weißen Teller aus dem Kofferraum Ihres Wagens legen Sie auf die Stoffbahnen.
G) Eine Handvoll Salz nehmen Sie aus einem Sack, der unter dem größten nahegelegenen Baum steht. Diese Handvoll Salz legen Sie auf den Teller, den Sie vorher auf dem Tuch placiert haben.
H) Danach setzt sich die Wagenkolonne in Gang, wieder in langsamster Fahrt. Alle Wagen überqueren die Tücher mit den Tellern und dem Salz.
I) Während der ganzen Fahrt lecken Sie an der Hand, in der Sie vorher das Salz hatten.
J) Jetzt werden die Motoren wieder abgestellt. Jeder näht seinen überfahrenen Teller (oder die Reste) auf dem Nesseltuch fest. Eine Leiste wird ebenfalls oben angebracht, sowie Draht zum Aufhängen.
K) Jeder geht jetzt mit seinem Tuch zum Baum (wo der Sack Salz steht). Jeder bestimmt, wo im Baum sein Tuch mit dem aufgenähten Teller hängen soll. Durch einen Skylift wird sein Tuch am Baum befestigt.
L) Den Zettel mit den Aufzeichnungen über Kuppeln, Schalten, Gasgeben etc. befestigt jeder im Kofferraum mit dem Tesaband.
M) Bei Ihrem nächsten Fieber holen Sie erst den Zettel aus dem Kofferraum des Wagens und zerreißen ihn.
N) 3 Tage nach dem Happening “Autofieber” treffen Sie mit Vostell zusammen in der Akademie der Künste zu einem Gespräch um 18.00 Uhr. Notieren Sie Ihre Träume dieser 3 Tage und bringen Sie diese Aufzeichnungen mit zum Gespräch.
Vostell, 14.9.1973, Berlin
BILDNIS EINER TRINKERIN – ALLER JAMAIS RETOUR (BRD 1979) 109 Min.
Der stilisiert komponierte Spielfilm ermöglicht eine Sightseeing-Tour durch Berlin, ein Erkunden der Topografie der Stadt anhand einer besonderen Route: Die namenlose Reisende, die am Flughafen Tegel ankommt, möchte hier nur ungestört ihrer Passion, dem Trinken, nachgehen.
FREAK ORLANDO (1981) 126 Min.
erzählt eine Irrtümer, Inkompetenz, Machthunger, Angst, Wahnsinn, Grausamkeit und Alltag umfassende “Histoire du Monde” am Beispiel der Freaks als kleines Welttheater in fünf Episoden. “Dies ist kein karitativer Film, der um Verständnis bittet für Abnormes. Er arbeitet mit vielen Tricks, nur nicht mit dem, auf den das Kino sonst baut, Identifikation. Er zitiert den berühmten Film von Tod Browning (1932), in dem das Kino seine Fähigkeit zum Wundertum Lügen strafte durch eine unvorstellbare Schau realer Monstren. Aber er selbst ist anders.” (Frieda Grafe)
DORIAN GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE (BRD 1984) 152 Min.
entlarvt die verführende und verführerische Macht eines sublimierten Totalitarismus – die der Medien. Frau Dr. Mabuse, Chefin eines Pressekonzerns, erschafft sich mit dem androgynen Dorian Gray einen Menschen, der vollkommen von ihr abhängig ist. “Der Titel entspricht in der Komplexität seiner Bedeutung dem Film. Die naheliegende Assoziation ist die zu Dorian Gray, also die literarische; zum anderen der Narzissmus, das Dandytum, Fin de Siècle. Im Spiegel der Boulevardpresse – zu Prousts Zeiten bereits als Gesellschaftsnachrichten bekannt – hab’ ich als Beispiel genommen, um über eine neue Form von Machtausübung etwas zu sagen im Film, über die spezifischen Möglichkeiten eines Medienkonzerns.” (Ulrike Ottinger)
PARIS CALLIGRAMMES (2019) 129 Min
Jeder Aufbruch beginnt mit einem Abschied: Wir schreiben das Jahr 1962, als sich Ulrike Ottinger von ihrer Heimatstadt Konstanz aus nach Paris aufmacht, weil ihr die politische Situation in Deutschland unerträglich geworden ist. Unterwegs sieht sie sich gezwungen ihre mit Eulen bemalte himmelblaue Isetta mit einem Motorschaden am Straßenrand zurückzulassen. Weiter geht die Reise als Anhalterin in einem großen schwarzen Citroën mit fünf Herren in Hut und Mantel, die Ottinger vorkommen „wie Bankräuber oder Darsteller eines Film Noir“. Kann eine Geschichte, die so beginnt, auf etwas anderes hinauslaufen als auf ein großes Abenteuer?
„Ich war 20 Jahre jung und mit dem festen Ziel nach Paris gekommen, eine große Künstlerin zu werden“, so setzt die Erinnerung Ottingers ein. In „Paris Calligrammes“ stellt sie sich der Herausforderung, einen Film zu machen „aus der Perspektive einer sehr jungen Künstlerin, an die ich mich erinnere, mit der Erfahrung einer älteren Künstlerin, die ich heute bin“.
In einem dichten Strom aus akustischem und visuellem Archivmaterial, verknüpft mit eigenen künstlerischen und filmischen Arbeiten, lässt Ottinger Saint-Germain-des-Prés und Quartier Latin mit ihren Literatencafés und Jazzkellern, die Begegnung mit Vertretern des jüdischen Exils, das Zusammenleben mit ihren Künstlerfreunden, die Gedankenwelt der Pariser Ethnologen und Philosophen, die politischen Umwälzungen des Algerienkrieges und des Mai 68 und das Erbe der kolonialen Zeit wieder aufleben. „Ich folgte den Spuren meiner Heldinnen und Helden“, erzählt Ottinger, „und wo immer ich sie fand, werden sie in diesem Film erscheinen.“
Viele von ihnen findet Ottinger im deutschen Antiquariat „Librairie Calligrammes“ des jüdischen Exilanten Fritz Picard, der rund 25 Jahre zuvor vor den Nazis nach Frankreich geflohen ist. Für Ulrike Ottinger wird die „Librairie Calligrammes“ „ein Ort, an dem die Hoffnung aufschien, eine brutal aus den Angeln gehobene Welt wieder zusammenzubringen“, eine gelebte und belebte Utopie.
„Paris Calligrammes“ wurde im Rahmen des SWR Dokufestivals mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis der Norbert Daldrop Förderung für Kunst und Kultur ausgezeichnet.