Taxi zur Kunst - Tobias Spichtig

Taxi zur Kunst

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Contemporary Fine Arts freut sich, zum diesjährigen Gallery Weekend Berlin die dritte Einzelausstellung des Schweizer Künstlers Tobias Spichtig mit dem Titel Taxi zur Kunst zu eröffnen. Mit dieser Ausstellung erweitert er sein Malereispektrum nun um ein neues Genre: das Gruppenporträt. Taxi zur Kunst ist eine Ode an die Kunst selbst – eine Auseinandersetzung mit den klassischen Bildkategorien der Malerei.

Taxi zur Kunst begann mit einem Wunsch und einem Scherz. CFA besetzt seit Jahren die Rückseite der Zeitschrift Texte zur Kunst, und Spichtig wünscht sich seit Jahren, genau dort den Titel „Taxi zur Kunst“ zu bewerben. Perfect match. Ein Taxi, nostalgisch aufgeladen, ein Mittel, das uns zu Eröffnungen, Lesungen, Theatern und Konzerten bringt. Man sitzt darin, die Welt zieht vorbei, wartet auf das, was kommt. In der Malerei sieht Spichtig eine ähnliche Nostalgie. „Der Prozess ist ein bisschen wie ein Witz. Ein magischer Witz.“ Für ihn ist Nostalgie keine sentimentale Rückschau, sondern eine Notwendigkeit. Die Sehnsucht nach dem scheinbar Vertrauten, dem Bekannten, das sich nicht ganz fassen lässt. Malerei ist in diesem Sinne ein Taxi. Der Blick aus dem Fenster, das Vorüberziehen, die Antizipation.

Ein Wendepunkt in der Rezeption von Tobias Spichtigs künstlerischem Schaffen war seine Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel Everything No One Ever Wanted im Winter 2024. Es war seine erste institutionelle Ausstellung, in welcher die Malerei zum Hauptakteur wurde und sich neben einer Serie von Skulpturen einer Soundinstallation behauptete.

Spichtigs Porträts sind geprägt von einem Wechselspiel zwischen Nähe und Abwesenheit sowie Persönlichem und Anonymem. Die Porträtierten sind in groben Linien auf das Wesentliche reduziert, teils kantig, teils zugespitzt, sodass ihre Essenz manieristisch manifestiert wird. Spichtig konturiert nicht nur seine Protagonisten schwarz, auch den farbigeren Details ist schwarz beigemischt. Durch die dunklen überzeichneten Augen der Musen vermag man sich als Betrachter nicht zu entscheiden, ob man angestarrt oder mit Nichtachtung gestraft wird. Große Augen wirken fremdartig, als hätten sie zu viel Mascara oder erinnern an die Löcher von Totenköpfen. Sie sind leer, groß und verstärken einen fast meditativen Blick nach innen und außen. Der Effekt erinnert an Spichtigs frühere „Sonnenbrillenbilder“, Fotos dunkler Brillengläser auf monochromen Ölhintergründen. Die Betrachter erwarteten eine Reflexion ihrer selbst in den Brillen, doch diese blieb aus.

Fortgeführt ist diese Ambivalenz von Intimität und Distanz schließlich auch in den Aktbildern, in denen androgyne morbide Wesen, kauernd oder stehend vor farbigen, vielschichtigen Hintergründen stehen – sie wirken sowohl einladend als auch distanziert, in sich selbst verloren. Es bleibt ein Gefühl der Entfremdung, das aus der Konfrontation mit diesen Nachtwesen, den harten Linien und der bewusst eliminierten Tiefe entsteht.

Eine stilistische Referenz sowohl zu Bernard Buffet als auch zu den deutschen Expressionisten, insbesondere Ernst Ludwig Kirchner, drängt sich auf. So akademisch verpönt historische Analogien sind – sowohl der Existentialismus der Nachkriegszeit als auch das „Tanz auf dem Vulkan“- Gefühl der Weimarer Republik sind unserem aktuellen Zeitgefühl durchaus ähnlich. Darüber hinaus steht Spichtig diesen beiden historischen Bewegungen in seiner absoluten Zeitgenossenschaft nahe.

Spichtig selbst versteht sich übrigens als Realist. Er malt, was ihn umgibt: seine Musen sind seine Freunde, seine Familie und die Extravaganza, mit der er Zeit verbringt. In dieser Haltung ist er dem von ihm verehrten Andy Warhol ähnlich – sowohl in der Auswahl der Portraitierten als auch in der Aneignung des Portraitgenres.

Die neuen Bilder in Taxi zur Kunst könnten der vagen Erzählung eines Konzerts, eines Theaters oder einer Ausstellungseröffnung folgen: ein Taxifahrer, Personen beim Abendessen, ein Tänzer, der nach Hause geht, ein Kuss, eine Band beim Posieren, Nachteulen, die sich umarmen oder in der Schlange stehen. Doch ist diese Erzählung nicht wörtlich zu nehmen – vielmehr lädt sie dazu ein, ihr mit einem Lächeln zu folgen, in dem Wissen, dass es sich dabei eher um ein loses Spiel mit Motiven handelt, die gleichzeitig stellvertretend für dem Lauf des Lebens stehen. Und so trägt jedes Bild eine existenzialistische Qualität in sich. Seine Bilder resonieren genau hier, schreibt Barlow, „zwischen Peinlichkeit und Ernsthaftigkeit, Humor und Melancholie, Ehrlichkeit und Täuschung, Nähe und Distanz“.

Kunst steht, das wird deutlich insbesondere an den Kunstströmungen, die in Krisenzeiten entstand, in einem sich verweigernden Verhältnis zu Gesellschaft, Politik und Ökonomie. Das macht sie politisch. In dieser Verweigerung ist Tobias Spichtig, das bekräftigt er im persönlichen Gespräch, auf der Suche nach Schönheit. Mit einem Bewusstsein für die Peinlichkeit dieses eitlen Unterfangens arbeitet er zwischen Ambition und ironischer Distanz. Und genau dieses Momentum schreibt sich in seine Bilder ein, auf diesem schmalen Grat balancieren sie.

Tobias Spichtig, 1982 im Kanton Luzern (Schweiz) geboren, lebt und arbeitet zwischen Zürich und Berlin. Er realisierte zahlreiche internationale Ausstellungen, darunter Einzelausstellungen in renommierten Institutionen wie der Kunsthalle Basel, dem Swiss Institute in New York, Kaleidoscope Spazio Maiocchi in Mailand, dem Centre d’art contemporain in Delme, SALTS in Basel und dem Museum Folkwang in Essen.


Contemporary Fine Arts is pleased to announce their third solo exhibition of Swiss artist Tobias Spichtig titled Taxi zur Kunst for this year’s Gallery Weekend Berlin. With this exhibition, he is expanding his painting spectrum to include a new genre: the group portrait. Taxi zur Kunst is an ode to art itself – an examination of the classical categories of painting.

Taxi zur Kunst began with a wish and a joke. CFA has been occupying the back cover of the magazine Texte zur Kunst for years, and Spichtig has wanted to advertise the title “Taxi zur Kunst” there for almost as long. The perfect match. A taxi, charged with nostalgia, a means of transport that takes us to openings, readings, theatres, and concerts. You sit in it, the world passes by, awaiting what is to come. Spichtig finds a similar nostalgia in painting. “The process is a bit like a joke. A magical joke.” For him, nostalgia is not a sentimental retrospective, but an urge. A longing for the seemingly familiar, the known, that cannot quite be grasped. In this sense, painting is a taxi. The view from the window, the passing by, the anticipation.

A turning point in the reception of Tobias Spichtig’s artistic oeuvre was his solo exhibition at the Kunsthalle Basel, Everything No One Ever Wanted, in winter 2024. It was his first institutional exhibition in which painting took center stage, holding its own alongside a series of sculptures and a sound installation.

Spichtig’s portraits are shaped by an interplay between closeness and absence, between the personal and the anonymous. The subjects are reduced to rough outlines, partly angular, partly pointed, so that their essence is manifested in a mannerist style. Spichtig not only contours his protagonists in black but also blends black into the more colourful details. The dark, exaggerated eyes of the muses make it difficult for the viewer to decide whether they are being stared at or ignored. The large eyes appear foreign, as if they are wearing too much mascara or resembling the holes in skulls. They are empty, large, and reinforce an almost meditative gaze inward and outward. The effect is reminiscent of Spichtig’s earlier “sunglasses paintings”, photos of dark glasses on monochrome oil backgrounds. Viewers expected to see a reflection of themselves, but this remained absent.

This ambivalence between intimacy and distance is ultimately continued in the nudes, in which androgynous, morbid figures crouch or stand in front of colourful, multi-layered backgrounds – they appear both inviting and distant, lost in themselves. What remains is a feeling of alienation that arises from the confrontation with these nocturnal beings, the hard lines, and the deliberately eliminated depth.

A stylistic reference to both Bernard Buffet and the German Expressionists, especially Ernst Ludwig Kirchner, imposes itself. As academically frowned upon as historical analogies may be, both the existentialism of the postwar period and the “dance on the volcano” feeling of the Weimar Republic are indeed similar to our current zeitgeist. Furthermore, Spichtig is close to both historical movements in his absolute contemporaneity.

Spichtig actually sees himself as a realist. He paints what’s around him: his muses are his friends, his family, and the extravaganza of his social life. In this way, he’s similar to Andy Warhol, whom he admires – both in his choice of subjects and in his appropriation of the portrait genre.

The new paintings in Taxi zur Kunst could follow the vague narrative of a concert, a theater performance, or an exhibition opening: a taxi driver, people having dinner, a dancer going home, a kiss, a band posing, night owls hugging or standing in line. But this narrative is not to be taken literally – rather, it invites us to follow it with a smile, knowing that it is more of a loose play on motifs that are also emblematic of the course of life. And so, every painting has an existential quality. His images resonate precisely here, Barlow writes, “between embarrassment and seriousness, humor and melancholy, honesty and deception, closeness and distance.”

Art, as becomes particularly evident in the artistic movements that emerged during times of crisis, maintains a relationship of refusal toward society, politics, and the economy. This makes it political. In this refusal, Tobias Spichtig is, as he affirms in a personal conversation, in search of beauty. With an understanding of the embarrassment of this vain endeavour, he works between ambition and ironic distance. And it is precisely this momentum that is inscribed in his paintings, balancing on this fine line.

Tobias Spichtig, born in 1982 in the canton of Lucerne, Switzerland, lives and works between Zürich and Berlin. He has had numerous international exhibitions, including solo exhibitions at renowned institutions such as Kunsthalle Basel, the Swiss Institute in New York, Kaleidoscope Spazio Maiocchi in Milan, Centre d’art contemporain in Delme, SALTS in Basel and Museum Folkwang in Essen.


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