Aus Anlass seines 75. Geburtstags präsentiert Contemporary Fine Arts »
LE CINÉMA DE LA VIE« von Michel Würthle, eine Ausstellung seiner Zeichnungen von 1993 bis heute. Fabrice Hergott, Direktor des Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris und ein Bewunderer des Menschen und Künstlers Michel Würthle, hat die Auswahl der Zeichnungen vorgenommen und den begleitenden Katalogessay geschrieben. Als Mitgründer und Inhaber der PARIS BAR und des Kreuzberger Restaurants EXIL hat Michel Würthle seit über 45 Jahren legendäre Künstler beherbergt. Würthles zeichnerisches Werk erinnert an ein Leben, das von seiner Erfahrung mit Menschen geprägt wurde.
Michel Würthle war im Zentrum des Geschehens, das die Kultur in Berlin (West) bestimmte. In den frühen 1970er Jahren eröffneten er und Ingrid und Oswald Wiener mit dem EXIL eine neue Ära: Dort vollzog sich der Wandel von einer lokalen, fast provinziellen zu einer internationalen Szene. So wurde das EXIL zu einem der interessantesten und lebendigsten Orte der Stadt, mit denen Berlin seinen Ruf als jedem offen stehende, kosmopolitische Stadt für Nachtschwärmer wiedererlangte. 1979 verkaufte Michel Würthle das EXIL, um die PARIS BAR zu kaufen.
Mit seinem selbstironischen Charme, seinem intelligenten und hintergründigen Humor und seinem Lebenshunger machte er auch diesen neuen Ort für die interessantesten Künstler attraktiv. So zählten zu den Stammkunden der PARIS BAR schnell unter anderem Joseph Beuys, Dieter Roth, Walter Pichler, Richard Hamilton, Eduardo Paolozzi, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Maria Lassnig und Martin Kippenberger. Die PARIS BAR war – und ist immer noch – ein Ort zum Verweilen, ein Ort, wo der Punk niemals sterben wird, ein gelobtes Land, eine Ikone von Berlin.
Michel Würthle war immer mehr als ein Gastgeber: ein Freund, ein Beobachter und ein Künstler. Der »Prinz der Theke«, wie er sich selbst nennt, zeichnete seit dem Beginn der neunziger Jahre seine Erinnerungen auf – hingebungsvoll in schwarzer Tinte, manchmal mit Farben verstärkt, manchmal mit ausgeschnittenen Fotos collagiert. Zusammengenommen präsentieren sie sich als Chronik. Sie skizzieren in eigenwilligem Stil das wesentliche Geschehen und werden meist von einer mehr oder weniger bildgetreuen handschriftlichen Legende begleitet. Würthle selbst tritt von Zeit zu Zeit mit spezieller Titulierung als Protagonist auf. Das EXIL und die PARIS BAR werden von innen betrachtet mit seinen Kellnern, den dort verweilenden Künstlern, dem einsamen Tellerwäscher, der jeden Morgen vor Sonnenaufgang die Mülltonnen hinausbringt. Beckmanns nächtliche Welt trifft hier auf das Schrille bei Dix oder Grosz, manchmal denkt man an den Surrealismus eines Roland Topor. Die Zeichnungen werden zu einer Traumlandschaft, in der sich aus alltäglichen Begegnungen nächtliche Phantasien, geheimnisvolle Reisen oder Abenteuer mit Cowboys und Indianern entwickeln.
Der »Prinz der Theke« jongliert mit Erinnerungen und Begegnungen, Scherzen und Phantasmen. Alles Menschliche ist dabei: Liebe und Freundschaft, Ehrgeiz und Gier, Eifersucht und Rache. Würthle zeigt auf die melancholischen Momente, die hinter dem Glamour lauern. Er legt Zeugnis darüber ab, wie er lebt, navigiert Freude und Widrigkeiten. Er zeichnet, wie und was er beobachtet und bewundert, und wie sich das Leben vor ihm aufführt.
Für Presse- und Bildanfragen wenden Sie sich bitte an Camila McHugh: camila@cfa-berlin.de
On the occasion of Michel Würthle’s 75th birthday, Contemporary Fine Arts is pleased to present »LE CINÉMA DE LA VIE« an exhibition of Michel Würthle’s drawings made from 1993 to today. Fabrice Hergott, Director of the Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris and an admirer of Michel Würthle as a person and an artist, selected the drawings and wrote the accompanying catalogue essay. Co-founder and proprietor of the iconic PARIS BAR and the Kreuzberg restaurant EXIL before that, Michel Würthle has hosted a legendary group of artists for over 45 years. Würthle’s series of drawings recalls and reimagines a life instructed by his experience of others.
Michel Würthle was at the centre, at the helms, of the spaces that defined culture in West Berlin. In 1972 he and his friends Ingrid and Oswald Wiener opened EXIL. The restaurant inaugurated a new era as a local, almost provincial scene, became a vibrant and international meeting place, restoring Berlin’s reputation as an open and cosmopolitan city for night owls.
In 1979, Michel Würthle sold EXIL to buy PARIS BAR. With his self-deprecating air, tireless humour and joie de vivre, he continued to draw a coterie of the best artists to this new haunt. The circle of artists and friends that frequented PARIS BAR included Joseph Beuys, Dieter Roth, Walter Pichler, Richard Hamilton, Eduardo Paolozzi, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Maria Lassnig and Martin Kippenberger, among others. PARIS BAR was, still is, a place for lingering, a place where punk will never die, a promised land, an icon of Berlin.
Michel Würthle has always been more than a host: a friend, an observer, and an artist. The „Prince of Zinc“, as he calls himself, mines his memories, rendering them in black ink. At times with a touch of colour or collaged photograph, his drawings appear as a chronicle. They say the essential, accompanied by a handwritten legend, under which he himself sometimes appears as an imposed figure. We see EXIL and PARIS BAR from the inside in the flurry of waiters, the lingering artists, the lone dishwasher who takes out the trash every morning before dawn. Traces of Beckmann’s semi-nocturnal world, Dix and Grosz’ grit and Roland Topor’s surrealism are palpable. The drawings become a dreamscape as everyday encounters evolve into nocturnal reveries, mysterious journeys, adventures with cowboys and Indians.
In juggling memories and encounters, jokes and fantasies, the “Prince of Zinc” delineates what make us human. Love and friendship, ambition and greed, jealousy and revenge. He outlines the melancholy moments that lurk behind splendour. He lays bear how he lives, navigating joy and adversity. How he observes and admires what life parades before him.
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