Nach seinen Werkgruppen der INTERIEURS, PORTRAITS STERNE, den in
Reaktion auf den entstandenen NACHT-Photographien, nach
Architekturphotos und ANDEREN PORTRAITS – um nur die wichtigsten
Werkkomplexe zu nennen, widmet sich Thomas Ruff, seit vergangenem Jahr PLAKATEN. Mit den am Computer entstandenen Photomontagen zeigen wir den Künstler erstmalig in unserer Galerie.
Das Medium der Photomontage, welches sich nach dem ersten Weltkrieg aus der dadaistischen Collage entwickelte, war zwar von Anfang an ein internationales Phänomen, erlebte aber seine erste Hoch-Zeit in Berlin. Von Raoul Hausmann entdeckt, diente es auch anderen Berliner Künstlern wie Hanna Höch und John Heartfield zu sarkastisch visionären Kommentaren zur Politik ihrer Zeit. Heartfield – und in der UdSSR El Lissitzky und Majakowski – entwickelten die Photomontage als bewusstes politisches Agitationsmittel.
Nicht zuletzt durch die Betitelung dieser Arbeiten als PLAKATE stellt Thomas Ruff sich bewußt in diese Tradition. Der Schein photographischer Authentizität dient nicht der Mystifizierung, sondern der Aufklärung über Realität.
“Im Gegensatz zu bekannter Satire, die vor allem körperliche Merkmale der Politiker verhöhnt, referieren Ruffs Montagen lakonisch auf aktuelle politische Themen Ende der 90er Jahre. Dabei beschränkt er sich nicht auf Wortspiel und Witz, wie es als typisch für die Satire der 70er Jahre zu betrachten ist ” (Stefan Römer)
Wenn er Innenminister Kanther drei vermeintliche vietanamesische Kinder vor einem Asylbewerberheim nersönlich verabschieden läßt, an desssen Balkonen Transparente mit der Aufschrift “Auf Nimmerwiedersehen” hängen und über welchem Passagierflugzeuge mit ihren Abgasen “Tschüüüss” in die Luft schreiben, suggeriert dies zwar eine politische Aussage, die in ihrer Narrativität an Heartfield erinnert; sie widesetzt sich jedoch einer einfachen, einem Plakat ähnelnden Lesbarkeit. So steckt, wie man bei nochmaligem Hinsehen bemerkt Kanther nicht in einer Tracht, sondern in einer chinesischen Uniform. Sein Kopf sitzt auf dem Körper des chinesischen Politikers Tschou En-Lai.
Auch das Verhältnis von Bild und Schrift ist nicht ergänzend, sondern verkomplizierend eingesetzt. Die Folge dieser Verkomplizierung ist ein längerer Betrachtungsprozeß. Die jeweilige „Botschaft” ist so verschlüsselt, die Bildmittel so eingesetzt, daß eine Vereinnahmung durch Partei- oder Tagespolitik ausgeschlossen wird.